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Der Geheimrat-Dr.-Fritz-Hornschuch-Naturpfad

Im September 1935 fand in Kasendorf der zweite Vorgeschichtskurs des Lehrerverbandes unter Leitung von Prof. Dr. Georg Hock, Würzburg und Hauptlehrer Max Hundt aus Kulmbach statt, an dem mehr als 60 Lehrerinnen und Lehrer aus ganz Bayern teilnahmen. Die Forschungsergebnisse der im Pfarrwald und auf dem Turmberg gemachten Ausgrabungen hatten zur Folge, dass Kasendorf von vielen, heimatkund­lich interessierten Leuten besucht wurde. Um sie aufzu­klären und zu belehren, machten sich einige Idealisten, die Lehrer Hundt, Edelmann, Jahreiß und Kaufmann daran, erläuternde Tafeln bei den Grabungsstellen anzubringen. Dabei tauchte auch erstmals der Gedanke auf, rings um Kasendorf einen "Naturpfad" anzulegen. Der damalige Bürgermeister Hans Glenk war ein warmer Förderer dieses Vorhabens.

Es ist klar, dass für eine derartige Sache nur eine Gegend mit gedrängter Fülle von landschaftlichen Schönheiten, naturkundlichen Besonderheiten und Reichtum an vorge­schichtlichen Bauwerken in Frage kommen konnte, wie das bei Kasendorf so ausgezeichnet der Fall ist.

Der Pfad begann am Bahnhof und wurde über das Pfarrholz weitergeführt, immer in großem Rund um Kasendorf, bis er endlich über den Turmberg wieder in den Ort hereinläuft, wo man sich in guten Gasthäusern von den Anstrengungen dieser Ringwanderung erholen kann. Damit der Pfad auch von körperlich weniger Leistungsfähigen bewältigt werden konnte, wurde er in vier Abschnitte gegliedert, deren jeder durch eigene Weg-Speichen mit Kasendorf verbunden ist, so dass man die Wanderung jederzeit abbrechen kann. Die Verwirklichung dieses Planes konnte nur Zug um Zug erfolgen, weil jede Strecke durch alle Jahreszeiten hin­durch genau beobachtet werden musste. Immerhin wurde im Jahre 1936 bereits der Abschnitt 1 vollkommen, der Abschnitt 2 teilweise fertig.

Es gab zwar, besonders in Württemberg, schon einige ähnliche, der Kasendorfer Naturpfad war aber der einzige in Deutschland, der neben den Anschauungsmitteln einer reichen Natur zugleich auch die Betrachtung vorgeschicht­licher Funde ermöglichte. Er erhielt den Namen "Geheimrat-Dr.-Fritz-Hornschuch-Naturpfad" zu Ehren des hochherzigen Förderers der Kasendorfer Ausgrabungsarbeiten, die in den letzten Jahren in wissenschaftlichen Kreisen viel von sich reden gemacht hatten.

Geheimrat Dr. Fritz Hornschuch hatte sich auch auf anderen kulturellen Gebieten um die Öffentlichkeit und Allgemeinheit verdient gemacht. Der nach ihm benannte Naturpfad sollte der wandernden Bevölkerung einen Einblick vermitteln in die naturkundliche und tierkundliche Bedeutung dieses schönen Juragebietes. Er sollte sie daneben nicht nur in die geologische und geographische Beschaffenheit der Kasendorfer Umgebung einführen, sondern auch Belehrung geben in biologischer und vorge­schichtlicher Beziehung. Er wurde im Gegensatz zu ähnlichen Einrichtungen daher durchaus natürlich angelegt, alles, was "gemacht" oder gekünstelt aussieht, hat man vermieden, um in dem Beschauer einen wahrhaft unmittel­baren Eindruck hervorzurufen. Auf kleinen Schildchen waren die Namen der einzelnen Objekte, auch der umliegen­den Berge und Ortschaften, angegeben, die geologische Beschaffenheit des Kasendorfer Landschaftsgebietes erläutert, die vorgeschichtlichen Ereignisse der Urzeit er­klärt. Dem Tier- und Pflanzenleben in der Natur hat man besondere Sorgfalt gewidmet. Kurzum, es ist bei der Schaffung dieses Naturpfades nichts vergessen worden, was dem mit offenem Herzen und offenen Augen wandernden Naturfreund zur volkstümlichen Belehrung dienen konnte.

Neben den geschichtlichen Anschauungsmaterialien des Pfarrwaldes und botanischen Unterweisungen, die sich auf der ganzen Wanderstrecke anboten, wurde der erste Teil des Pfades über den Prelitz vor allem der Geologie gewidmet. Sowohl die drei Formationen des Jura: Lias, Dogger und Malm, als auch die mächtigen Gesteinsverschiebungen der Weismainer Verwerfung treten hier offen zutage.

An Aussichtspunkten fanden die Besucher willkommene Aufklärung über die sichtbaren Geländeteile, über Einschlägiges aus der Erdgeschichte und von der Entstehung der Landschaft.

Der 2. Teil des Lehrpfades begann an der Kreuzung des bisherigen Wanderweges mit der Zultenberger Straße und verlief in Richtung Reuth, meist durch Waldabschnitte, immer längs des Höhenkammes, bis zum Fußweg Reuth/Kasendorf. In diesem Abschnitt wurde vor allem dem deutschen Märchen und der Lyrik Raum gegeben. Durch Märchenfiguren (Schneewittchen mit den sieben Zwergen, Wolf und Rotkäppchen) sprach man besonders die Jugend an. An der sog. "Märchenkanzel" stand eine Holzbank mit einem Lesepult davor. Auf diesem waren unter Glas verschiedene Märchentexte eingelegt, die, der Jahreszeit entsprechend, ausge­wechselt wurden.

Auch der Lyrik hatte man einige Gedenktafeln gewidmet. Hier waren, ebenso unter Glas, die Werke meist zeitgenössischer Autoren ausgestellt.

Über die Einweihungsfeierlichkeiten dieses zweiten Teils schrieb das Kulmbacher Tagblatt in seiner Ausgabe vom 24. August 1936 u. a. folgendes:

"Zu der Eröffnungsfeier hatten sich neben den Vertretern der Partei und ihrer Gliederungen sowie der in Frage kom­menden Gemeindebehörden, der Schule und Kirche, Herr Geheimrat Dr. Hornschuch mit Gemahlin eingefunden, der durch seine warmherzige Förderung die Anlegung dieses Naturpfades erst ermöglichte. Außerdem waren noch eine stattliche Anzahl von Mitgliedern des Vereins Natur und Heimat Kulmbach sowie Naturfreunde und Heimatforscher zugegen, zu denen sich ein Teil der Einwohnerschaft von Kasendorf und dessen Schuljugend gesellte.

Die Eröffnungsfeier wurde eingeleitet durch zwei Sing­spiele, die die Kasendorfer Schuljugend unter der Leitung des Herrn Hauptlehrers Jahreiß - Kasendorf zum besten gab. Die beiden Spiele "Hänsel und Gretel' und "Dornröschen saß auf einem Stein" wurden allerliebst zu Gehör gebracht und fanden bei den Anwesenden reichen Beifall.

Sie schufen zugleich die Grundeinstellung für die folgen­de Begehung des zweiten Teiles des Naturpfades, der neben den pflanzenkundlichen Forschungen vor allem dem deut­schen Märchen gewidmet ist und so eine besondere Anziehung für die Jugend bildet."

Erst im darauffolgenden Jahre konnten auch die weiteren beiden Teile des Naturpfades ihrer Bestimmung übergeben werden.

Die Möglichkeit, den dritten Teil zu durchwandern, hat man von Reuth aus. Hier ist der Hauptanziehungspunkt der Felsvorsprung oberhalb des Sonnentempels, denn von ihm aus hat man eine herrliche Aussicht über den sich trich­terförmig ausweitenden Kessel des Friesenbachtales. Über den Sonnentempel führt schließlich ein steiler Fußpfad hinunter zur Friesenquelle.

Im vierten und letzten Teil des "Geheimrat-Dr.-Fritz­Hornschuch-Naturpfades" steht wieder der geschichtliche Aspekt im Vordergrund. Er beginnt am Fuße des Turmbergs hinter dem Festplatz, um auch, von der gegenüberliegenden Seite des Turmbergs aus, wieder an den Ausgangspunkt zurückzuführen. Der Besucher wandert hier durch die 3 Ringwälle einer vorgeschichtlichen Wehranlage, kommt an historischen Aufschlüssen vorbei, um schließlich auf dem Magnusturm als krönendem Abschluss nicht nur seinen gesamten Wanderweg, sondern in einer Rundumsicht einen wesentlichen Teil der oberfränkischen Heimat überblicken zu können.

Im Jubiläumsjahr Kasendorfs 1986 wird unser Naturpfad 50 Jahre alt. Viele Tausende von Besuchern erfreuten sich im Lauf der Jahre auf diesem Pfad an der Schönheit der vielgestaltigen Landschaft mit ihren prachtvollen Mischwäldern und an der reichen Blumenpracht im Wechsel der Jahreszeiten.

Mögen sich auch in Zukunft für die Natur und für die Heimatforschung begeisterte Leute finden, die bereit sind, die Betreuung des Pfades zu übernehmen, und die mithelfen, manches der Rätsel zu lösen, das dieses Stückchen Erde noch umgibt.

(Aus dem Heimatbuch des Marktes Kasendorf)