Zum Inhalt Zur Suche

Krumme Fohre – ein alter Straßenort

Alt-Krumme-Fohre in der Postkutschenzeit

Die Geschichte Alt-Krumme-Fohres als Postkutschenstation begann 1811. In Thurnau wurde damals eine Postexpedition eingerichtet, die zuerst dem Oberpostamt Bayreuth und später dem Oberpostamt Nürnberg unterstellt war. Ein Seitenkurs zweigte nach Kulmbach ab. Die Postexpedition Thurnau hatte nach einer späteren Verfügung vom Jahre 1813 sechs Pferde zu halten. Obwohl ab 1816 der Postwagen Bamberg-Bayreuth wieder über Hollfeld gelenkt wurde, blieb die Postexpedition Thurnau bestehen. 1828 wurde sie aufgehoben, in Anbetracht der am Orte vorhandenen gräflichen Residenz 1847 wieder mit Brief- und Fahrpostdienst eingerichtet.

Mit der Postexpedition Kulmbach war Thurnau durch Karriolfahrten verbunden. Und an dieser Karriollinie war Alt-Krumme-Fohre, das schon Ende des 18. Jahrhunderts als Gasthaus bestand, eine wichtige Station. Hier kam die Postkutsche von Stadelhofen an, die unterwegs Kaltenhausen, Azendorf, Kasendorf berührte. In Kasendorf, das eine Postagentur besaß, hatte die Postkutsche die Reisenden der Karriolpost Hollfeld - Wonsees - Schirradorf -Welschenkahl - Kasendorf aufzunehmen. Krumme-Fohre war also großer “Um- und Zusteigeplatz“.

Hier mussten die Reisenden, die mit der Stadelhofener Postkutsche gekommen waren, in den Thurnauer Postwagen umsteigen, der nummerierte Plätze für sechs Personen hatte. Reichten die Sitzgelegenheiten nicht aus, dann musste eben einer der Reisenden auf dem “Bock“ neben dem Postillion Platz nehmen. Bei schönem Wetter war es eine feine Sache, die Welt von oben aus zu besehen. Sonst steckte man lieber - trotz der Enge -  unter einem schützenden Dach. Im Winter ging es ohne kalte Füße in dem Postkutschenkastel nicht ab. Da mussten sich die Reisenden schon durch eine Unterhaltung “warm reden“. Bei Regentagen und im Winter wurde die Postkutsche am stärksten benutzt.

Der Reisewagen war dann meist zu klein. Doch stand ein größerer Postwagen zur Reserve in einem Schuppen gegenüber dem Gasthaus. Der große Wagen konnte die doppelte Anzahl von Reisenden befördern. Zuweilen kam es vor, dass die von Thurnau kommende Karriolpost schon voll besetzt war, und auch der große Postreisewagen nicht ausgereicht hätte, alle die Fahrgäste fortzubringen, dann musste der Stadelhofener Postillion eben selbst seine “Last“ nach Kulmbach fahren.

Um sechs Uhr früh trafen die Postwagen, von Thurnau und Stadelhofen kommend, in Krumme-Fohre ein. Schon von weitem ließen die Postillione mit ihrem Horn Signale ertönen. Vor dem Gasthaus hielten die Wagen. Die Fahrgäste der Stadelhofener Postlinie lösten “Billets“ zur Weiterfahrt nach Kulmbach. Größere Gepäckstücke und Pakete wurden unter dem Planenschutz auf dem Dache verstaut, der Stadelhofener Postillion übergab seinem Thurnauer Kollegen Briefe und sonstige Postsachen. Sie kamen in das “Magazin“ unterm “Sitzbock“. Meist trat der Wirt oder die Wirtin aus dem Haus, begrüßte Postillion und Fahrgäste, und der Thurnauer Postillion oder auch einer der Reisenden ließ sich ein stärkendes Schnäpschen reichen.

Man ließ sich Zeit. Es hieß noch “Eile mit Weile“, nicht “Zeit ist Geld“. Um halb sieben Uhr bestieg der Kutscher den Bock, schmetterte einen Hornruf und die Weiterfahrt begann. Der Stadelhofener Postillion hatte inzwischen seine Pferde abgeschirrt, sie im rückliegenden Stall des Gasthauses eingestellt, den vor dem Gasthaus parkenden Postwagen etwas zur Seite geschoben und wartete nun auf die Rückkunft seines Thurnauer Kollegen von Kulmbach. Gegen halb zehn Uhr war es dann soweit. Schon von Weitem hörte man die Horntöne des am “Roten Hügel“ heraufrollenden Postgefährtes. Es war für die auf den Feldern mitarbeitenden Bauersfrauen ein Signal, jetzt zum Kochen des Mittagessens heimzugehen.

In Krumme-Fohre wurden die Fahrgaste für die Stadelhofener Linie abgeladen. Der Stadelhofener Kutscher machte jetzt nur eine “Spritztour nach Kasendorf“, um den Anschluss für die von dort aus in Richtung Hollfeld Fahrenden herzustellen, (die nach Stadelhofen Reisenden mussten sich in Krumme-Fohre oder Kasendorf bis zur Abendpost gedulden), und kehrte gegen halb zwei Uhr nachmittags zurück, wenn die Thurnauer Post wieder im Krumme-Fohre einlief.

Bei der abendlichen Rückkunft der Thurnauer Postkutsche, die gegen halb sechs Uhr nachmittags erfolgte, wartete der Postillion häufig mit “musikalischen Einlagen“ auf. Er blies gekonnt den “Jäger aus Kurpfalz  das „Edelweiß“ oder “Lang, lang ist‘s her“. Wenn die Stücklein des Posthorns erklangen, dann ließen die Landleute ihre Feldarbeit ruhen und horchten eine Weile zu. Es war eine geruhsame, romantische Zeit. Gemütlich fuhr das “Postwagerl“ durchs Land. Solch schlimme Verkehrsunfälle wie heute gab es damals auf den Straßen nicht. Passierte ja einmal ein “Unglück“, so war das nicht so schlimm, und mancher “Unfall“ hatte auch seine heitere Seite.

Auch im Bereich der Posthaltestelle Krumme-Fohre haben sich einige “Stücklein“ zugetragen, die von den Alten noch heute weitererzählt werden. Einmal geschah es, dass auf der Straße bei Döllnitz ein Bulle hergetrieben wurde. Er scheute beim Anblick des daherrollenden Postwagens und riss sich los. Der Postillion wollte ausweichen und sein Gefährt in eine Wiese lenken. Am Wassergraben kippte die Kutsche um und neigte sich zur Seite. Der Kutscher war schon abgesprungen, die wenigen Insassen der Postkutsche waren nur etwas zur Seite gekullert. An Wagen, Pferden und Menschen war alles ganz geblieben. Der Bulle war bald wieder eingefangen, die Kutsche wieder auf die Beine gestellt, und die Reise konnte fortgesetzt werden.

Ein andermal kam die Postkutsche von Thurnau her. Vetter Postillion hatte nicht recht ausgeschlafen und war etwas eingenickt. Am Döllnitzer Ziegelhöhlein drehte der sich aus den Händen des Schläfers geglittene Zügel ins Rad, die Pferde drängten zur Seite, im Straßengraben sackte der Wagen um, der erschrockene Schläfer fiel ins Gras. Es war nur gut, dass die Postkutsche keinen Passagier mitführte. Die Kutschenscheiben und die Deichsel waren freilich entzwei. Der gute Mann musste erst die Tiere an den nächsten Baum binden und eine andere Deichsel aus dem nahen Döllnitz holen, damit die Fahrt nach Krumme-Fohre fortgesetzt werden konnte.

Mit der Eröffnung der Bahnlinie Thurnau-Kulmbach im Herbst 1908 wurden die Karriolfahrten Thurnau-Kulmbach eingestellt, und Krumme-Fohre verlor die fast ein Jahrhundert alte Posthaltestelle, die gute alte Kutschenzeit ging zu Ende (nach G. Schwarz).

Die Kunstsandsteinfabrik der Grafen v. Giech

Gegen Ende des vergangenen Jahrhunderts war das an der Straßenabzweigung nach Döllnitz stehende Wirtshaus Krumme-Fohre noch das einzige Anwesen. Es war nach dem Flurstück benannt, auf dem es unmittelbar neben dem Waldrand stand. Der auf gräflichem Besitz stehende Einödhof bekam ‚jedoch jetzt nachbarliche Gesellschaft, als sich Reichsrat Graf von Giech entschloss, in der Nähe eine Kunstsandsteinfabrik zu errichten. Man hatte dem Thurnauer gräflichen Herrn von interessierter Seite im Jägerkreise in den Ohren gelegen und von den sich gut rentierenden Industriebetrieben adeliger Herrschaften in Preußen in rosigen Farben erzählt. Graf v. Giech versprach sich viel von diesem Unternehmen und so entschloss er sich, einen Betrieb zu errichten, in dem Kunstsandsteine hergestellt werden. Es fiel ein Stück Wald auf gräflichem Grund an der Straße in Krumme Fohre, es wurden entsprechende Werkanlagen (Kalkofen, Mischhaus mit Silos, Press— und Dampfraum, zwei mächtige Kamine) geschaffen, Maschinen angeschafft und Arbeiter eingestellt. Das geschah in den Jahren 1899 und 1900.

Johann Ellner aus Peesten, der dort selbst Ziegel fabriziert hatte, wurde als Betriebsleiter und sein Bruder Peter als Werkmeister verpflichtet. Die offizielle Einweihung des Betriebes am 22.2.1900 war ein Akt, zu dem die gesamte gräfliche Familie und viele interessierte Bewohner aus den Orten des Thurnauer Landes herbeikamen. Auf einem der beiden Fabrikschlote war eine Fahne gehisst worden und bei den gehaltenen Reden dem Werk Gedeihen gewünscht worden. Der gräfliche Industriebetrieb in Krumme-Fohre lief gut an. Die benötigten Kalksteine wurden aus einem Steinbruch bei Kasendorf genommen, das Sandmaterial, das von recht guter Qualität war, aus der Grube auf dem Sandberg herangeholt. Es wurden zuerst nur weiße Kunstbacksteine gefertigt. Die im Kalkofen gebrannten Kalkbrocken wurden in der Kalkmühle zerkleinert und das Kalkmehl in der Mischmaschine mit Sand und Wasser im richtigen Verhältnis vermengt. Durch Becher am laufenden Band wurde die Mischung in einen der vier Silos befördert, wo sie 8-10 Stunden ruhen musste. Von dort aus kam die abgesetzte Masse durch eine transportable Vorrichtung in die Presse. Die auf Backsteinformat gebrachten Rechtecker wanderten auf Rollwagen in die Dampfpresse, die acht solche Fahrzeuge fasste, und wurden dann dem vorgeschriebenen Dampfdruck mehrere Stunden ausgesetzt. Die fertigen Backsteine wurden im Freien gelagert.

Der neueröffnete Betrieb florierte. Die Nachfrage war so groß, dass die aus der Dampfpresse kommenden Backsteine häufig in noch dampfendem Zustand zum Versand verladen werden mussten. Für den Transport der Backsteine standen vier Kutscher, die in Krumme-Fohre stationiert waren, zur Verfügung. Die Kunstsandsteinfabrik vergrößerte sich zusehends, es wurde auch die Fabrikation von Ziegeln aufgenommen. Immer neuere, angeblich bessere Maschinen wurden angeschafft. Im Betrieb waren bald 40 Leute beschäftigt.

Allerdings schieden für einige Jahre die Werkmeister Johann und Peter Ellner aus dem Unternehmen aus, um in Berliner Werkstätten und Betrieben ihr Handwerk auszuüben und ihre Kenntnisse auf Spezialgebieten zu bereichern. In der Zwischenzeit führte Werkmeister Koch den gräflichen Fabrikbetrieb.

Durch die Erbauung der Lokalbahnstrecke Kulmbach-Thurnau im Jahre 1908 wurde Krumme Fahre eine Bahnstation. Es konnten nun die Erzeugnisse der Kunstsandsteinfabrik per Achse verschickt werden. Freilich hatte die neue Bahnlinie auch einen großen Nachteil für das Werk gebracht. Bisher hatte eine zweigleisige Rollbahn das Sandmaterial vom nahen Sandberg zugebracht. Diese Einrichtung, die die Bahnstrecke kreuzte, musste jetzt aufgegeben und die Sandzufuhr vom Sandberg eingestellt werden. Man wollte wohl zuerst eine Überführung der Bahnstrecke bauen, doch wegen der hohen Kosten ließ man das Projekt fallen.

So wurde eine neue Sandgrube in der Nähe des sogen. ‘Barthelsweihers“ erschlossen und ausgebeutet. Freilich stellte sich bald heraus, dass dieser Sand nicht die Qualität des bisher verwendeten, der von weicher Struktur, weißer und gelber Farbe gewesen war, hatte und dieser Zustand schwerwiegende Folgen für die weitere Fabrikation haben musste. In den Jahren nach der Lokalbahneröffnung fing der Backsteinabsatz der gräflichen Kunstsandsteinfabrik an flau zu werden. Die “flotten Jahre“, die der Eröffnung 1900 gefolgt waren, waren dahin.

Die häufige Anschaffung neuer Maschinen belastete bald fühlbar den Betrieb und führte zu Verlustgeschäften. Die Backsteine, die durch den Wechsel des Sandmaterials qualitätsmäßig stark abgesunken waren, waren nicht mehr so gefragt. Es wurde immer deutlicher, dass das gräfliche Kunstsandsteinwerk ein Zuschussbetrieb wurde. Als Christian Carl Gottfried Graf v. Giech im Mai 1914 verstarb, wurde die Fabrik stillgelegt.

Auf Weisung seiner Gattin sollte kein Stein auf dem anderen bleiben von dem Werk, in das so viel Geld gesteckt worden war. 1915 wurden die Gebäudlichkeiten und Maschinen an eine Hofer Firma auf Abbruch verkauft, es blieb nur das Kontor mit seinen weißen Backsteinen (das auch heute noch steht) erhalten. Zuletzt wurden die beiden Fabrikschlote umgelegt. Heute erinnern noch die da und dort in Thurnau und in anderen Orten des Umlandes stehenden, mit “Krumme Fohre - Backsteinen“ erbauten, hellleuchtenden und unverputzten Häuser an die ehemalige Gräflich Giechsche Kunstsandsteinfabrik (nach G. Schwarz).

Krumme-Fohre erhielt seinen Namen von einer nicht mehr vorhandenen „krummen Föhre“ (Kiefer), die ein Hirtenjunge in die Form eines Posthorns gebogen haben soll.

Eine alte Zeichnung weist diesen Baum als „Zuckmantel“ (Gabelföhre) aus, der an Straßenabzweigungen als Wegweiser diente (nach H. Edelmann).

(Aus dem Heimatbuch des Marktes Kasendorf)